Donnerstag, 12. Juli 2012

Des Jannes Fleischeslust



Jan Spielhagen ist ein Mann.
Ein richtiger Mann. Mit Bartwuchs und allem, was sonst noch so dazu gehört.

Jan Spielhagen ist ein Mann.
Und er hat Angst.

Denn was in dieser Welt geschieht, in diesen neumodischen Zeiten, damit kommt er nicht zurecht, und das ist auch richtig so. Denn wie soll man sich noch seine eigene Männlichkeit bestätigen, wenn die letzte Bastion dieser, der glorreiche Fußball, auf einmal von Frauen eingenommen wird? Wenn die Frau plötzlich mitreden will? Bei Themen, die doch ihrer Natur nach eigentlich dem Mann gehören sollten? Erst zwingen sie uns die Kindererziehung auf, und jetzt nehmen sie uns auch noch den Fußball weg?

"Zinedine Zidane ist Schuld daran. Oder David Beckham. Oder einer der anderen wahnsinnig gutaussehenden Fußballer, die den einstigen Kerlesport Fußball von der Agenda der reinen Männerthemen geholt und auf die Liste des Gender Mainstreaming gesetzt haben. Seitdem sind die Insignien des Fußballs nicht mehr Zweitligastadion und Kutte sondern Public Viewing und Prosecco. "quelle


Jan Spielhagen weiß ganz genau, woran es liegt, wenn Frauen plötzlich Fußball gucken. Am Sport, am Wettbewerb, am Gemeinschaftsgefühl haben die doch eigentlich kein Interesse. David Beckham ist schuld. Das ist ja auch so ein Schönling. Kein richtiger Kerl.

Wie gut, das Spielhagen weiß, wie die von den Frauen geschaffene Lücke zu füllen ist.

Mit Fleisch. Und was braucht der Mann, um dieses neu (g)e(r)fundene Männlichkeitssymbol auch richtig auskosten zu können? Richtig, er braucht eine Anleitung. Deshalb hat Jan Spielhagen, der Mann, der versucht, Fleisch zum neuen Symbol für Männlichkeit zu machen, gleich ein ganzes Magazin parat, in dem er richtigen Kerlen zeigt, wie es geht, und was sie brauchen, um nicht zu verweichlichen, um nicht auch den letzten Zentimeter Stolz an die Frauen abzugeben.

Blutiges, tropfendes, möglichst noch nicht nach Tod riechendes Fleisch. Denn das ist es, nach was es uns Männern verlangt. Es ist archaisch, brutal, und zu ungesund für die von Schönheitsidealen und dem Gesundheitswahn vernebelte Frauenmannschaft.

Jan Spielhagen weiß Bescheid. Männer lieben Fleisch. Und sie lieben es, über das tote Tier und dessen Verarbeitung zu fachsimpeln, und es zuzubereiten, wie Frauen es nie könnten. Frauen

“kochen leidenschaftlich gern gesund, leidenschaftlich gern schnell, leidenschaftlich gern günstig, leidenschaftlich gern praktisch. Die männliche Leidenschaft ist ganz anders. Sie ist ausschweifend, exzentrisch, detailverliebt und angeberisch. “ quelle

Das alles ist aber gar nicht so wichtig, denn um die "Leidenschaft" geht es eigentlich nicht.

“Aber das wichtigste ist, dass dieses Thema uns gehört - und das auf lange Sicht. Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass die Frauen in einer Zeit, in der die meisten von ihnen Fleisch nur noch in rot und weiß unterscheiden und den ökologischen Fußabdruck ihrer Ernährung zu errechnen versuchen, den Männern ihr neues Lieblingssujet abspenstig machen werden. Das Fleisch ist uns sicher - so sicher wie der Bartwuchs.”quelle 

Genau. Fleisch ist uns sicher. So sicher wie der Bartwuchs.


Und was sagt uns das alles?

Steckt hinter all diesem Blödsinn nur ein mehr oder weniger cleverer Marketingplan, der von SPON mitgetragen wird, auf deren Seite Spielhagen in Form einer von Sexismus und Selbstverliebtheit geprägten Kolumne gegen Sojawurst wettert, darüber fantasiert, das Veganismus krank macht, und allgemein eigentlich nur das ausdrückt, was vermutlich viele seiner Leser hören wollen: Tu was du willst, solange du Fleisch isst. Zur Auflockerung entwirft er fantastisch anmutende Szenarien, in denen ihn "deutsche Ökomütter" fürs im Mai Kirschen kaufen öffentlich runter machen, um anschließend in einem SUV wegzufahren. Man mag sich fragen, ob er sich diese Story (deren Pointe er bereits im Titel selbst spoilert) komplett aus seinem Sitzfleisch geschnitten hat (ha.ha.). Der Humor ist platt, es gibt keine Aha! Momente und erst recht keine Cojones, was Spielhagens Version einer art gezähmtem Machismo noch unglaubwürdiger macht.

Geht es bei diesem ganzen Geschwafel von Männlichkeit, gutem Geschmack und Leidenschaft nur darum, möglichst viele Magazine und, vor allem, Produkte zu verkaufen? (BEEF! bietet die Möglichkeit, die im Heft vorgestellten Zutaten direkt online zu bestellen. Jäger und Sammler ist offenbar auch bei Herrn Spielhagen ein Ding der Vergangenheit.)

Sexismus und Leichenteile als Identitätsfindung?

Könnte sein.

Könnte aber auch sein, dass hinter dieser von der eigenen Männlichkeit und dem Verlust selbiger besessenen Großkotzigkeit eine ganz andere Motivation liegt.

Und darüber will ich lieber nicht spekulieren.


Schönen Tag noch.


2 Kommentare:

  1. Vielleicht hat Herr Spielhagen nun einen Bart, vielleicht auch nicht?
    Seine Aussagen haben einen selbigen, einen alten und langen. Denn seine archaische Seele schreit(vielleicht auch wegen des Marketings seines seltsamen Männer-Koch-und-Frauen-für blöd-halten-Hochglanzmagazin) wegen der leidenschaftlichen Kochwut des Mannes und der mal eben schnell hingekochten Gerichte der Frauen. Wie arm und wie toll das "Mann" nun bebildert sehen kann, wie man Kaninchen abbalgt und zerteilt.
    Das macht die Kerle aus, die Richtigen natürlich...
    Wozu braucht man das eigentlich? Damit der Kerl Geld mit Rezepten verdient, die alle schon hundert mal in Kochbüchern stehen, die schon unsere Großmütter kannten (aufgepeppt natürlich)? Oder als Gegenwelle zum ach so bösen Vegetarismus oder Veganismus.
    Na dann ran an die Fleischtöpfe, möge es ihnen im Magen grimmen und im Halse ähm...
    Es geht ja hier auch nicht um Tierleid, eher um Tierkonsum, legalen Tiermord, ethisch vertretbar um dem Genussmenschen zu huldigen(dem Besserverdienenden).Ich huldige seit guten zwei Jahren dem vegetarischen Genuss mit Hang zum veganen. Besser und vielfältiger als heute habe ich nie gegessen. Kreative Küche mit Verantwortung verzichtet auf das Leid unserer Mitgeschöpfe. Oder schränkt es zumindest ein.
    Liebe Grüße Hoegi

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    1. Hey, erstmal danke für deinen Beitrag.

      "Ich huldige seit guten zwei Jahren dem vegetarischen Genuss mit Hang zum veganen. Besser und vielfältiger als heute habe ich nie gegessen."

      Ja, die Kreativität kriegt definitiv jede Menge Anreize. Ich koche sehr gerne, und seitdem ich Vegan lebe habe ich dermaßen viel Abwechslung in der Küche...hab ja vorher schon viel gemacht, aber man lernt plötzlich Zutaten kennen, an die man früher nicht mal gedacht hat. Und das hat nicht mal was mit "Alternativen" zu tun, sondern einfach nur mit einer ganz anderen Esskultur.

      Freut mich, das du schon Vegetarier bist!

      Lieben Gruß,
      Tobias

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